Fliegen ohne Motor – wie funktioniert das?

Segelfliegen gehört zu den naturverbundensten und erlebnisreichsten Sportarten. Moderne Segelflugzeuge mit ihrer ausgefeilten Aerodynamik und zunehmenden Technisierung erlauben inzwischen Flugleistungen, die für die meisten Menschen nur schwer vorstellbar sind. So lassen sich heutzutage mühelos Distanzen von hunderten von Kilometern zurücklegen, und das alles ohne Motor. Der Rekord für den weitesten Flug mit einem Segelflugzeug liegt bei 3.009 Kilometern. Aber wie funktioniert das – Fliegen ohne Motor? Auf diese und viele weitere Fragen wollen auf dieser Seite die Antworten geben.

Wie fliegt ein Segelflugzeug?

Segelflugzeuge haben keinen eigenen Antrieb. Daher mag man sich die Frage stellen, wieso sie dann nicht einfach vom Himmel fallen? Die Erklärung dafür liefert ein ganz besonderes Zusammenspiel verschiedener physikalischer Phänomene. Ein Segelflugzeug bewegt sich, wenn es in der Luft ist, konstant auf einer abwärts geneigten Bahn. Man kann es auch anders formulieren: das Segelflugzeug „fällt“ sozusagen die ganze Zeit. Durch diese Abwärtsbewegung steht dem Segelflugzeug die notwendige Energie zur Verfügung, um den Luftwiderstand überwinden und die Geschwindigkeit halten zu können. Ein zweites physikalisches Phänomen, der so genannte Auftrieb, sorgt schließlich dafür, dass das Segelflugzeug nicht wirklich fällt, sondern vielmehr durch die Luft „gleitet“. Der Auftrieb wird durch die Tragflächen erzeugt, sobald eine bestimmte Fluggeschwindigkeit anliegt. Hier wird das Zusammenspiel beider Phänomene deutlich: der Auftrieb, der dafür sorgt, dass das Flugzeug fliegen kann, ist von der Geschwindigkeit abhängig. Das Segelflugzeug bewegt sich also permanent abwärts. Und dies wirft eine weitere Frage auf…

Wie kommt es, dass Segelflugzeuge trotzdem viele Stunden fliegen können?

Segelflugzeuge brauchen zum Fliegen keinen Wind. Ganz im Gegenteil – er wirkt sich häufig sogar störend aus. Zum Beispiel wird ein Flugzeug bei starkem Wind schnell von seinem geplanten Kurs abgetrieben oder der Wind kann durch Verwirbelungen in Bodennähe das Starten und Landen erschweren. Segeflieger sind vielmehr auf vertikal gerichtete Luftströmungen angewiesen. Drei Arten dieser vertikalen Strömungen werden im Folgenden beschrieben:

Thermik

Cumuluswolke

Thermik ist die am meisten von Segelfliegern genutzte Auftriebsquelle. Sie entsteht durch Temperaturunterschiede zwischen erwärmter Luft am Boden und kälterer Luft in der Höhe. Diese entstehen eher an Tagen mit starker Sonneneinstrahlung, also im Frühling und Sommer, oder über großen Industrieanlagen mit starker Abwärme. Die wärmere und damit leichtere Luft steigt auf und Segelflugzeug können in diesem nach oben gerichteten Luftstrom kreisen und Höhe gewinnen. Wenn der in der aufsteigenden Luft enthaltene Wasserdampf ab einer gewissen Höhe kondensiert, entstehen Cumuluswolken am oberen Ende der Aufwinde. Diese sind für den Segelflieger ein untrügliches Zeichen für die Thermik, die er sucht. An manchen Tagen steigen die Aufwinde jedoch nicht hoch genug, um Wolken zu bilden. Dann spricht ein  Segelflieger von “Blauthermik”. Je nach Wetterlage kann ein thermischer Aufwind über Norddeutschland in Höhen von 500 bis 3000 Meter reichen.

Hangwind

Duo Discus am Hang an der Porta

Der Hangwind wurde 1920 als erste der für den Segelflug nutzbaren Wettererscheinungen entdeckt und ist auch am leichtesten zu verstehen. Ein gleichmäßiger horizontaler Wind trifft auf seinem Weg einen quer liegenden Höhenzug. Wenn dieser wesentlich breiter als hoch ist, dann kann der Wind nicht rechts oder links daran vorbei strömen, sondern muss zwangsläufig darüber hinweg strömen. Dadurch findet man kurz vor dem Hang ein schmales Gebiet aufsteigender Luft. Wenn man vor dem Hang der Kontur folgend hin und her fliegt, kann man sich in der Luft halten und mit etwas Geschick sogar an Höhe gewinnen. Je nach Windgeschwindigkeit kann ein Hang-Aufwind bis etwa zur fünffachen Hanghöhe wirksam sein. So gesehen kann etwas Wind, zumindest in diesem Fall, ganz nützlich sein. Während des Hangfluges muss ein Segelflieger allerdings aufpassen, dass er nicht in die vom Wind abgeneigte Seite – das Lee – gerät, denn dort können Abwinde den Segelflieger sehr schnell zur Landung zwingen.

Leewellen

Wellenwolken Lenticularis

Eine Leewelle entsteht so ähnlich, wie der Ton in einer Blockflöte. Wenn Luft gleichmäßig und mit der richtigen, meist sehr hohen Geschwindigkeit quer über ein Hindernis, z.B eine Bergkette oder auch eine Wolke, strömt und eine Inversion da ist, kann sich dahinter eine Schwingung aufbauen. Da die Luft dabei weiter strömt, erscheint diese Auf- und Abschwingung wie eine Welle. Man fliegt dann in den aufsteigenden Bereichen gegen den Wind, sodass man praktisch auf der Stelle stehend ganz ruhig hoch getragen wird. Dort zeigen sich auch die charakteristschen Wellenwolken wie im Bild oben. So werden in Gebirgen, z.B. den Alpen oder den Anden, Flüge bis in über zehntausend Meter Höhe, wo der Horizont schon die Erdkrümmung zeigt, möglich. Für solche Höhenflüge braucht man allerdings eine Atemmaske für Sauerstoff und eine sehr gute Kälteschutzbekleidung. Der bekannteste Wellenwind ist der Föhn in den Alpen, der manchmal auch bis nach Norddeutschland reicht und bei uns dann an den Mittelgebirgen Wellen auslöst.

Wie startet ein Segelflugzeug?

Da ein Segelflugzeug keinen Motor besitzt, muss es auf anderem Wege in die Luft gebracht werden. Hierfür gibt es verschiedene Startarten. Die gebräuchlichsten sind der Windenstart und der Flugzeugschlepp. Diese werden nachfolgend beschrieben. Es gibt auch Segeflugzeuge, die einen ausklappbaren Motor besitzen. Diese können mit diesem Motor selbst starten. Weniger gebräuchliche Startarten sind der Gummiseilstart und der Autoschlepp.

Windenstart

ASK13 Windenstart

Beim Windenstart wird das Segelflugzeug mit einem langen, an einer Seilwinde befestigten Stahlseil in die Luft gezogen. Das Stahlseil ist auf einer Trommel in der Winde aufgewickelt. Vor dem Start wird das Seil von einem Fahrzeug von der Winde bis zum 800 Meter entfernten Segelflugzeug gezogen und dabei von der Trommel abgewickelt. Das Seil wird anschließend an der Kupplung des Segelflugzeuges eingeklinkt. Beim Start wird das Seil von der Winde wieder auf die Trommel aufgewickelt.  Dadurch wird das Segelflugzeug in ca. 3-4 Sekunden von 0 auf knapp 100 km/h beschleunigt, hebt ab und erreicht nach etwa 30 Sekunden eine Höhe von etwa 300-400 Metern. Am höchsten Punkt der Bahn wird die Verbindung zwischen Seil und Luftfahrzeug getrennt und das Segelflugzeug kann frei weiterfliegen. Das Seil fällt im Anschluss mit einem Fallschirm zu Boden.

Flugzeugschlepp

ASK13 im F-Schlepp

Beim Flugzeugschlepp (auch „F-Schlepp“) wird das Segelflugzeug von einem Motorflugzeug in die Luft gezogen. Der F-Schlepp  wird meist für die Überlandflüge eingesetzt, da sich der Segelflieger so direkt in die Nähe der Thermik und auf größere Höhen schleppen lassen kann. Im Vergleich dazu besitzt der Windenstart diesen Luxus nicht. Dort ist der Ausklinkpunkt immer der gleiche. Der F-Schlepp beginnt damit, dass das Segelflugzeug durch ein Seil mit dem Heck des Motorflugzeuges verbunden wird. Sind beide Flugzeuge miteinander verbunden, so zieht das Motorflugzeug das Seil an bis es straff ist. Sobald das Seil straff ist, gibt das Motorflugzeug Vollgas und der Schleppzug hebt schließlich vom Boden ab. Der Motorflugzeug-Pilot schleppt den Segelflieger dann zu seinem gewünschten Ausklinkpunkt in seiner gewünschten Ausklinkhöhe.

Gibt es einen Führerschein für Segelflugzeuge?

Ja, nur heißt er Luftfahrerschein für Segelflugzeugführer. Man bekommt ihn nach dem Abschluss der praktischen und theoretischen Ausbildung, die sich in mehrere Abschnitte gliedert. Der erste Ausbildungsabschnitt wird durch die A-Prüfung abgeschlossen, bei der der Flugschüler 3 Starts ohne Fluglehrer absolvieren muss. Die B- und der C-Prüfung schließen die nachfolgenden Ausbildungsabschnitte ab, in der weitere fliegerische Fertigkeiten erworben werden. Den Abschluss der Ausbildung bildet die staatliche Luftfahrerscheinprüfung, bei der der Flugschüler sowohl seine praktischen als auch theoretischen  Kenntnisse beweisen muss. Die Segelflugausbildung kann bereits mit einem Alter von 14 Jahren begonnen werden. Mehr zur Ausbildung gibt es hier »

So viel Verantwortung mit 14 Jahren?

Klar, Segelfliegen ist eine ernste Sache. Jedoch zeigt die Erfahrung aus 80 Jahren Segelflug in Deutschland, dass die meisten Jugendlichen durchaus lernen, diese Verantwortung sicher zu tragen.

Muss man sich ein eigenes Segelflugzeug kaufen?

Nein. Der Verein stellt Segelflugzeuge zur Verfügung, die den fliegerischen Fähigkeiten der Piloten entsprechen. Mehr zum Flugzeugpark gibt es hier »

Ist Segelfliegen teuer?

Segelfliegen ist nicht teurer als beispielsweise Skifahren, Surfen, Squash, Sportschießen u. ä. Wer sich engagiert an den anfallenden Vereinsarbeiten beteiligt, fliegt bei uns günstiger. Für Jugendliche und Studenten haben wir außerdem Sondertarife, durch die das Fliegen sehr preiswert wird. Wenn man sich engagiert, kann man für die gesamte Ausbildung etwa mit den Kosten für einen Autoführerschein rechnen, nur dass diese über 1-2 Jahre verteilt sind. Mehr Informationen zu unseren Gebühren gibt es hier »

Ist Segelfliegen gefährlich?

Beim motorlosen Flug gibt es keinen Motor, der stehen bleiben könnte. Die Belastungsgrenzen eines Segelflugzeuges sind zudem wesentlich höher als die einer modernen Verkehrsmaschine. Jedes Flugzeug wird durch einen vom Luftfahrt-Bundesamt lizenzierten Prüfer jährlich kontrolliert. Daher ist der größte Risikofaktor der Mensch. Darin unterscheidet sich das Fliegen also nicht vom Auto fahren. Auch das ist gefährlich, sobald man sich nicht an Regeln hält oder leichtsinnig handelt. Die Segelflugausbildung vermittelt diese Regeln systematisch, indem während der gesamten Ausbildung alle Gefahren und entsprechende Gegenmaßnahmen deutlich gemacht werden. Es gilt also auch beim Segelfliegen: Gefahr erkannt – Gefahr gebannt.

Und was ist, wenn…

LS4 Aussenlandung

…ein Luftloch kommt?

„Luftlöcher“ sind nichts anderes als Abwinde. Das Segelflugzeug fliegt einfach hindurch.

…man keinen Aufwind mehr findet?

Dann landet man wieder auf dem Flugplatz. Wenn gerade kein Flugplatz in Reichweite liegt, dann macht man eine Außenlandung auf einem Acker (siehe Bild). Dies ist ein ganz normales Manöver und wird auch in der Ausbildung geübt.

…beim Start das Schleppseil reißt?

Dann landet der Segelflugzeugführer entweder gerade aus, falls das Schleppseil in geringer Höhe gerissen ist, oder fliegt eine verkürzte Platzrunde und landet normal, falls der Seilriss in größerer Höhe stattgefunden hat. Diese Verfahren werden ebenfalls ausgiebig in der Ausbildung geübt.